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ABTEILUNGEN  Handball  1.Männermannschaft
06/02/2023
Unerwarteter Punkt könnte goldwert sein.
SV Koweg Görlitz : KJS-Club Dresden 26:26 (10:7)

Er hatte keine Kraft mehr, nicht einmal zum Jubeln mit seiner Mannschaft, die gerade gegen den hoch favorisierten KJS-Club Dresden ein 26:26-Unentschieden und damit einen unerwarteten Punkt im Kampf um den Klassenverbleib erkämpft hatten. Michael Schuller, Trainer der Sachsenliga-Handballer des SV Koweg Görlitz, setzte sich kurz nach dem Abpfiff einfach an die Torwand der Jahnsporthalle, in sich zusammengesackt, in Gedanken verloren. Diese Szene stand symbolisch für ein Spiel, in dem die Görlitzer über ihre physische und mentale Belastungsgrenze gingen. Ein Spiel, in dem Mannschaft und Fans, angeführt von den Kowegstieren, wieder eine Symbiose bildeten. Schon zwischendurch hatte Schuller bemerkt, dass sein Kreislauf ins Wanken gerät. Mit Zucker und einem Schluck Wasser rappelte er sich wieder auf. Nach dem Abpfiff war der Akku dann aber erst einmal komplett leer. Doch der Einsatz, sowohl von ihm als Regisseur an der Seitenlinie, als auch seiner gesamten Mannschaft hatte mehr als sich gelohnt.

Dieses Unentschieden fühlt sich für die Görlitzer wie ein Sieg an. Die Koweg-Herren haben gezeigt, was mit viel Moral und Kampf bis in die Schlusssekunden hinein möglich ist. Ein 60-minütiges Power-Play als Entschädigung für den schwachen Auftritt vor zwei Wochen gegen Leipzig, ein Punktgewinn, der goldwert sein könnte. „Keine Frage, es sind uns heutige einige unnötige Fehler unterlaufen. Aber was soll ich nach so einem Spiel kritisieren. Ich kann nur meinen Hut ziehen vor der Leistung, die meine Mannschaft heute auf die Platte gebracht hat“, meinte Schuller nach dem Spiel. Für ihn seien alle Vorgabe, die er seinen Spielern mit auf den Weg gab, umgesetzt worden. In der Defensive gab es drei Aufgaben zu bewältigen: im Zweierverbund die individuell stärkeren KJS-Spieler annehmen, die Halbpositionen rechtzeitig in ihrer Stoßbewegung zu stören und Vit Sebek am Kreis nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Schuller: „Wir kennen ja Vit aus der letzten Saison. Der Junge braucht eigentlich keinen Platz, um Bälle anzunehmen und aufs Tor zu bringen.“ Mit Philipp, Savic und Kaiser hatte der Koweg-Coach diesmal das volle Spezialistenpaket in der zentralen Defensive zur Verfügung. Bei nur sieben Gegentoren im ersten Durchgang – auch dank großer Paraden von Keeper Michel, der bis in die 43.Minute hinein den Kasten hütete – hatten die Görlitzer ihre Gäste voll im Griff. Das war so nicht zu erwarten.

In den Offensivbemühungen wollte Schuller vor allem vermeiden, dass sein Team die Abschlüsse über das Abwehrzentrum von KJS suchen würde. „Über diesen Mittelblock aus der zweiten Reihe ein Tor zu erzielen ist fast schon aussichtslos“, so Schuller. Also sollte das Spiel möglichst breit gezogen und die Rückraumschützen gut in Position gebracht werden. Es war schnell klar, dass dies alles viel Kraft kosten würde. Das schnelle Eröffnungstor der Gäste durch Außenspieler Vavrica konnten die Görlitzer erst sechs Minuten später durch Kozubik beantworten (1:1), nach weiteren sechs Minuten hatte KJS, erneut durch Vavrica, einen Vorsprung von zwei Toren auf dem Tableau (2:4). Doch dann schlug die Zeit der Görlitzer, die sich nun in einen Rausch begeisternden Handballs spielten und auf 8:4 (21.) vorlegten. Diese Führungsrolle, die zwischenzeitlich auf sechs Tore (13:7) ausgebaut wurde, sollten die Gastgeber bis in die 48.Minute beanspruchen. Schon kurz zuvor ahnte Schuller jedoch, dass sein Team dringend eine kurze Verschnaufpause brauchte, um sich nun nicht um den Lohn der bisherigen Arbeit zu bringen. Eine Überzahlspiel kurze Zeit später ging jedoch nach hinten los und KJS schaffte nicht nur den Ausgleich, sondern auch noch den Führungswechsel (18:19). Es drohte sich eine Parallele zum Heimspiel gegen Aue zu eröffnen, als man nach großem Kampf und überraschenden Zwischenergebnissen die Partie hinten raus noch verlor. Fünf Minuten vor dem Ende sah es zumindest so aus, als Ex-Koweg-Spieler Michal Kvasnicka, der gemeinsam mit Savic am Sonntag Geburtstag hatte, zum 22:24 einnetzte. Schuller: „Dass meine Jungs da nicht eingeknickt sind ist aller Ehren wert. Das hätte auf den letzten Meter noch schief gehen können.“

Es blieb bis zum Schluss bei einem auf Augenhöhe geführten Duell, das nichts für schwache Nerven war. Zwei Siebenmetertore von Türkowsky, jeweils ein Treffer von Kozubik und Adam sorgten schließlich für den erneuten Ausgleich. Die letzte Szene gehört dann Koweg’s Neuzugang Dominik Fiala. Der Keeper, in der 43.Minute eingewechselt, parierte mit einem starken Reflex einen Rückraumwurf der Gäste und hielt damit den Punktgewinn der Neißestädter fest.

Vier Wochen haben die Görlitzer nun Zeit, um neue Kraft für dem Saisonendspurt zu sammeln. Am ersten Märzwochenende geht die Saison nach einer kurzen Winterpause weiter. Schuller hatte schon angedeutet, dass er sich und seiner Mannschaft nun sieben Tage Ruhe und Regeneration gönnen würde.

Koweg: Michel, Fiala – Adam (1), Mautsch (1), Kiock, Nichterlein (3), Türkowsky (7/5), Burda (1), Savic (1), Weikelt (3), Philipp, Kozubik (9), Kaiser, Seidler

Torfolge: 0:1 (1.), 1:1 (7.), 1:3 (10.), 3:4 (15.), 7:4 (20.), 9:6 (25.), 10:7 (30.), 13:8 (35.), 16:10 (40.), 18:16 (45.), 20:19 (50.), 22:24 (55.), 26:26 (60.)

Robert Eifler


Fotos: Gert Richter




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