Frau Doktor bleibt am Ball.
Handballpost, Ausgabe vom 21.12.2018
Serie „Wir machen Sachsens Handball stark“ – Teil 4: Dr. Anne Naumann, Torhüterin des SV Koweg Görlitz
Was wäre Handball ohne die unzähligen Helden des Alltags, die Ehrenamtlichen und positiv Verrückten? Die Handballpost geht dieser Frage nach und stellt in einer neuen Serie die Handball-Macher im Freistaat vor — in Teil 4: Dr. Anne Naumann, Torhüterin des SV Koweg Görlitz.
Das muss man erst einmal schaffen: eine aktive Handballkarriere im professionellen Bereich, und parallel dazu noch eine wissenschaftliche Promotion anzufertigen. Anne Naumann ist genau dieses „Kunststück“ gelungen – mit allen Entbehrungen und terminlichen Planungen, die ein derartiger Spagat abverlangt. Seit 2016 trägt die Torhüterin mit Zweitliga-Erfahrung den akademischen Titel Dr. rer. medic (Doktor der Gesundheitswissenschaften). Ihr Forschungsthema: Entwicklung eines mehrfachfunktionalisierten Radiotracer auf Basis von Technetium-99m. Dabei soll das chemische Element nicht mehr nur in der Diagnostik, sondern auch für die Therapie eingesetzt werden. Ein Studium in Chemieingenieurwesen mit Vertiefungsrichtung Bioverfahrenstechnik an der Dresdner Hochschule für Technik und Wirtschaft stand am Beginn ihrer wissenschaftlichen Laufbahn, die Diplomarbeit erfolgte am Uniklinikum Dresden im Bereich der Nuklearmedizin. Allmählich entwickelte sich innerlich der Wunsch, in der medizinischen Grundlagenforschung tätig zu werden. Parallel war Naumann in der radiochemischen Routine für Patienten engagiert und betreute Studenten in Abschlussarbeiten und Vorlesungen. Den körperlichen Ausgleich fand Naumann dabei im Handballsport – stetiges Pendeln und wenige Ruhephasen kennt sie eigentlich seit der Jugend. Dabei fand Anne Naumann relativ spät zum Handballsport. Zunächst war sie in der Leichtathletik aktiv, gibt aber auch zu: „Das machte mir nie wirklich Spaß. Zu jeder Trainingseinheit musste ich überredet werden.“ Dann änderte ein Aushang mit einer Einladung zu einem Schnupper-Handballtraining alles. „Viele meiner Freundinnen waren damals schon dort, also habe ich mich auch mal hingetraut“, so Naumann. Kaum hatte sie die ersten Kontakte zum damals noch „harzfreien“ Spielgerät absolviert, schon war sie im Handballfieber. Naumann: „In der Leichtathletik war ich immer Einzelkämpferin. Beim Handball motiviert dich die Gemeinschaft – das hat mich schließlich überzeugt.“ Gestartet ist Naumann in der C-Jugend der HSG Freiberg und wurde direkt von ihrem damaligen Coach Ralf Halles ins Tor gesteckt. „Vermutlich weil ich meinen Babyspeck mit ins pubertäre Alter genommen hatte“, meint Naumann scherzhaft. Nach Auflösung des weiblichen Bereichs bei der HSG wechselten die Spielerinnen zum SV Rotation Weißenborn. Neben ihren Auftritten in der B-Jugend durfte Naumann auch schon in den Erwachsenenbereich hineinschnuppern und hatte dort ein Promotionspiel gegen den HC Sachsen Neustadt. Jörg Adam war damals Trainer des Zweitligisten und lud Naumann ein. Zunächst nahm sie einmal wöchentlich am Training in Neustadt teil, mit dem Erreichen des Abiturs wechselte sie schließlich komplett – ausgestattet mit einem Zweitspielrecht für den OHV Löbau (Sachsenliga). Drei Jahre später zog es Naumann zum Zweitligisten BSV Zwickau, wieder mit einem Zweitspielrecht für den HC. Die Einsätze in Deutschlands zweithöchster Spielklasse bezeichnet sie als ihre größten sportlichen Erfolge – neben den Rehabilitationen ihrer insgesamt vier Kreuzbandrisse. Die Belastung durch Sport und Vollzeitstudium wurde aber allmählich zu groß, weshalb Naumann wieder zurück nach Neustadt wechselte. 2014 nahm sie – zusammen mit Jenny Kolewa – ihre vorläufig letzte Herausforderung an und spielt seither beim Oberligisten Koweg Görlitz. „Aufgrund der immer dünner werdenden Personaldecke in Neustadt wurde der Aufwand rund ums Team immer größer – im Team verstand ich mich immer mehr als Organisator und weniger als Spielerin. Und irgendwann war der Akku leer. Ich brauchte neue Motivation für den Handball“, sagt sie heute. Da kam der Anruf ihres einstiges Trainers Jörg Adams gerade recht. Vier Jahre bildete Naumann zusammen mit Romy Klaus ein starkes Torhüter-Duo – seit geraumer Zeit aber muss sie vom Handballsport pausieren. Im September kam ihre Tochter Alina zur Welt und genießt seither ihre ganze Aufmerksamkeit. „Volle Windeln und ausgiebige Spaziergänge“ sind derzeit ihre Hauptaufgaben. Naumann: „So ein ruhiges Leben hatte ich die letzten zehn Jahre nicht. Den Schlagmangel allerdings schon.“ Bis zum Ende der Schwangerschaft habe sie sich aber auch noch im Fitnessstudio fit gehalten und ist auch jetzt wieder dabei. In Absprache mit Adam strebt Naumann an, dieses Jahr noch ins Handballtraining einzusteigen und dann sogar wieder am Punktspielbetrieb teilzunehmen – sofern es ihre Tochter zulässt. Das Planen und Organisieren ist Naumann ja aber gewohnt.
Robert Eifler
2018_12_21-Handballpost.pdf |
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