10/06/2018
Von Görlitz aus nach Russland zur WM
von Frank Thümmler
Sächsische Zeitung, Ausgabe vom 08.06.2018
Aus Sicht von Dagmara Zychniewicz findet die wichtigste Weltmeisterschaft des Jahres in Russland vom 24. bis 29. Juli in Kazan statt. Statt Fußball wird dort Beachhandball gespielt – und die Handballerin von Koweg Görlitz wird mit einiger Warscheinlichkeit in der Auswahl des amtierenden Vize-Europameisters Polen stehen. Zwar wird der bereits nominierte 15er-Kader noch auf zehn Spielerinnen reduziert, aber die 22-jährige, 1,86 Meter große Spielerin geht davon aus, nicht den „Sane zu machen“ und noch aus dem Kader gestrichen zu werden.
Beachvolleyball – ja. Beach-Soccer – kennt man auch. Aber Beach-Handball? So selten wird es auch in Deutschland (an der Ostsee, in der Region am Halbendorfer See) gar nicht gespielt. Die Regeln sind einfach. Es spielen jeweils vier Spieler (inklusive Torwart) gegeneinander. Es kann ständig gewechselt werden (besonders der Torwart für die Angriffe). Das Feld ist deutlich kleiner als in der Halle. Der Torraum, der von Feldspielern nicht betreten werden darf, reicht über die gesamte Feldbreite. Dribbeln ist praktisch unmöglich. Das Besondere: Tore vom (eingewechselten) Torhüter, nach einem Spin-Wurf (mit Pirouette in der Luft) und nach Kempa-Trick zählen doppelt. Und gespielt wird in zwei zehn Minuten langen Sätzen. Gewinnt jedes Team einen Satz, kommt es sofort zum Penaltywerfen, bei dem der Ball vom Torwart zugeworfen wird und dann verwandelt werden muss.
Dagmara Zychniewicz spielt Beachhandball schon seit sechs Jahren, immer im Sommer in einer polnischen Liga, die mit einem Finalturnier endet. Vor allem agiert sie in der Abwehr, in der ihr ihre Körpergröße und ihre Kraft zugutekommen, sowie im Angriff auf Linksaußen. Auch den Spin-Shot für die doppelten Punkte hat sie drauf. „Am Anfang war das alles nur Spaß. Aber seit drei Jahren gehöre ich zur Nationalmannschaft. Wir haben jetzt sogar eine Hall mit Sandboden, in der wir auch vor der Saison schon trainieren können. Ihr Görlitzer Hallentrainer Jörg Adam sieht das mit einem überwiegend lachenden Auge, auch wenn er ab und zu im Training auf seine Spielerin verzichten muss: „Ich halte viel davon, wenn die Spielerinnen vielseitig sind, und für das Image unseres Vereins ist es auch gut, wenn hinter einer Nationalspielerin in Klammern Koweg Görlitz steht.“
Dass Dagmara Zychniewicz überhaupt in Görlitz Handball spielt, ist vor allem Adam zu verdanken. „In meiner polnischen Heimat konnte ich nur in der untersten Liga spielen. Mir hat damals eine Mitspielerin erzählt, dass es da eine Möglichkeit gibt, nach Deutschland zu wechseln. Ich bin dann nach Altlandsberg nach Brandenburg gegangen.“ Jörg Adam, der den Transfermarkt nach seinen Worten genau beobachtet, hatte sie damals, vor drei Jahren, schon nach Görlitz locken wollen. „Ich habe damals seine Nachricht einfach zu spät gelesen“, sagt Dagmara Zychniwicz, die heute darüber lachen kann. Nachdem es in Brandenburg nämlich nicht so richtig lief, meldete sich der Görlitzer Trainer noch einmal.
Diesmal, vor zwei Jahren, klappte es. Im ersten Jahr bei den Oberliga-Handballerinnen gab es zwar noch ein paar Anpassungsprobleme, aber in der zweiten Saison lief es deutlich besser. „Wir haben immer an Dagmara geglaubt. Sie ist sehr ehrgeizig, hört genau zu, versucht das auch umzusetzen und kann sich in der Mannschaft einordnen. Dabei setzt sie im Spiel immer noch nur 80 Prozent von dem um, was sie im Training drauf hat“, sagt Adam, der sie im Rückraum links und in der Mitte einsetzt. Auch privat findet sich Dagmara Zychniewicz immer besser in Görlitz zurecht, wohnt hier, spricht perfekt deutsch, hat zuletzt als Sportlehrerin in der Neiße-Grundschule gearbeitet und wird demnächst eine Ausbildung in einem Görlitzer Fitness-Studio zur Sport- und Fitness-Kauffrau beginnen., dem Görlitzer Handball damit wohl auch länger erhalten bleiben. „Ich fühle mich sauwohl hier, in der Mannschaft, aber auch in der Stadt, bestätigt Dagmara Zychniewicz, die bis zur WM noch Trainingslager und Vorbereitungsturniere zu absolvieren hat. „Wir wünschen ihr, dass sie mit einer Medaille zurückkommt“, sagt Jörg Adam. „Mir sagt er außerdem immer, dass ich mich nicht verletzen soll“, ergänzt die Görlitzer-Beachhandball-Nationalspielerin lächelnd.
Foto: privat/PGNiG
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