Jörg Adam, Trainer der Görlitzer Koweg-Handballerinnen, zur bisherigen Saison, zu Ausfällen im Spielerkader und dem, was Hoffnung macht.
Frank Thümmler, SZ-Ausgabe vom 09.01.2014
Die Handballerinnen von Koweg Görlitz sind das Aushängeschild ihrer Sportart im Landkreis. Die Görlitzerinnen wurden 2011/12 Sachsenmeister, sind in die vierte deutsche Liga, die Mitteldeutsche Liga, aufgestiegen und spielen jetzt zwei Klassen höher als das nächstbeste Team im Landkreis (TBSV Neugersdorf). Nach einem überragend guten ersten Jahr in der neuen Liga (6. Platz mit 23:17 Punkten) läuft es in der zweiten Viertligasaison bisher nicht ganz so gut. Bislang stehen 10:12 Punkte und Platz acht zu Buche. Trainer Jörg Adam erklärt im SZ-Gespräch die aktuelle Lage.
Herr Adam, ein Blick auf die Punktebilanz lässt, von außen betrachtet, Stagnation vermuten. Teilen Sie diese Einschätzung?
Wenn man nur die Punkte sieht, muss ich Ihnen recht geben. Aber so einfach ist das nicht. Diese Liga ist deutlich stärker geworden, als sie es im Vorjahr war. Wir haben mit dem SC Markranstädt den erwartet starken Aufsteiger bekommen, der die Liga bisher deutlich dominiert. Dazu kommen mit dem HC Sachsen Neustadt/Sebnitz und der Bundesliga-Reserve des Thüringer HC zwei sehr gute Drittliga-Absteiger. Die wirklich schlechten Gegner sind raus aus der Liga. So gesehen ist die Punkteausbeute gar nicht so schlecht. Und angesichts der vielen Probleme, die die Mannschaft zu lösen hatte, wäre Stagnation aus meiner Sicht das falsche Wort.
Als Sie vor dieser Saison von Klassenerhalt sprachen, hatten Sie das alles schon im Kopf?
Zum Teil. Es war mir klar, dass es kein strahlend leichtes Spiel für uns werden würde. Ich wusste auch, dass einige Spielerinnen Probleme in ihrem Umfeld und mit Verletzungen hatten. Am Ende hat es uns aber viel härter getroffen. Und wir hatten ein extrem schweres Auftaktprogramm. Wie die Mannschaft das alles gemeistert hat, das macht mich stolz. Wir haben alle Spiele gewonnen, bei denen wir uns das vorher auch ausgerechnet hatten. Nur der Ausreißer nach oben, ein Sieg gegen ein Spitzenteam, der hat gefehlt.
Was meinen Sie mit viel härter getroffen als gedacht?
Karolina Muras hat einen schweren persönlichen Schicksalsschlag erlitten und sich außerdem verletzt. Seitdem hat sie leider noch nicht wieder zu ihrer alten Form zurückgefunden – aber wir arbeiten daran. Und unsere jungen Hoffnungsträgerinnen hatten auch Pech. Anne Neumann machte zu Saisonbeginn ein Muskelfaserriss länger zu schaffen als gedacht. Und Josephine Tschuck konnte bislang gerade einmal drei Spiele bestreiten. Sie wird uns nach dieser Saison sogar verlassen.
Warum das?
Wegen ihrer beruflichen Entwicklung. Sie wird nach ihrem Abitur ein duales Studium beginnen, fernab der Heimat. Wenn wir eine Spielerin so verlieren, macht uns das stolz, weil wir als Verein unseren Beitrag dazu leisten, dass die Mädchen zu solchen Persönlichkeiten heranwachsen, die ihren Weg im Leben finden. Andererseits ist das aus sportlicher Sicht bitter für uns.
Gibt es auch Lichtblicke?
Lydia Marceluk hat einen Sprung gemacht. Sie zeigt jetzt das, was ich in ihr gesehen habe, als wir sie zu uns holten. Andrea Witschel hatte Verletzungsprobleme und es trotzdem geschafft, Angelika Wasiucionek, die auch noch verletzt ausgefallen ist, gut zu vertreten, die Kreisläuferposition nahezu allein zu spielen. Und sie hat sich zum emotionalen Leader dieser Mannschaft entwickelt. Vorwärtsgekommen ist auch Juliane Conrad, wobei ich davon überzeugt bin, dass sie noch mehr kann. Und auf der Torhüterposition haben wir uns nach dem Zugang von Romy Klaus deutlich stabilisiert, wobei Nicole Seidel die bisherige Überraschung der Saison ist und mit starken Leistungen den Konkurrenzkampf mächtig anheizt.
Wenn man weiter vorausschaut, wo soll es hingehen mit Koweg Görlitz?
Eines gilt immer: Wir wollen uns stabilisieren, weiterentwickeln, vorankommen. Und wir werden weiterhin versuchen, den eigenen Nachwuchs einzubauen. Dazu gehört, Anne Neumann vielleicht noch ein paar Jahre hier zu halten, aber auch die nächste Generation ans Team heranzuführen. Vier B-Juniorinnen trainieren schon bei uns mit, eine davon wird in der kommenden Saison spielberechtigt. Wir hoffen, dass wir möglichst viele Nachwuchstalente davon überzeugen können, ihre sportliche Laufbahn in der Heimat voranzutreiben. Wir können hier fast die gleichen Bedingungen wie an einer Sportschule bieten, von den Trainingsmöglichkeiten her. Im Nachwuchsbereich spielen sie mit den Sportschulen in einer Liga – bezwingen sie manchmal sogar. Und über unsere Frauenmannschaft bietet sich auch ein Sprungbrett in den professionellen Handball. Der wahre Vorteil aber ist: Wer hier bleibt, verliert auch die berufliche Entwicklung nicht aus den Augen, wie gerade das Beispiel Josephine Tschuck beweist.
Was ist in der Rückrunde noch drin?
Natürlich wollen wir weiterhin die Spiele gewinnen, in denen wir Siege erwarten. Aber die Rückrunde bietet vor allem sehr attraktive Heimspiele – und die haben für uns Priorität. Wir wissen genau: Die Entwicklung geht nur weiter, wenn wir uns unseren guten Stand beim Publikum erhalten. Wir freuen uns jedes Mal darüber, wie viele Zuschauer in die Jahnsporthalle strömen. Der beste Dank sind Siege. In der Rückrunde wollen wir versuchen, zu Hause eines der Topteams zu schlagen. Und vielleicht gibt es ganz kurzfristig noch eine echte Verstärkung. Wir arbeiten jedenfalls dran. Gelingt uns das und noch etwas mehr, könnten wir in die nächste Saison mit ganz anderen Vorzeichen starten. Eine Frage mit dem Wort Stagnation stellen Sie dann hoffentlich nicht wieder.
Bilderunterschrift: Koweg-Trainer Jörg Adam denkt immer darüber nach, wie er sein Team verbessern, weiter voranbringen kann. Auf Josephine Tschuck, die hier über einen Treffer jubelt, hat er in seiner Zukunftsplanung gesetzt. Jetzt ist aber klar, dass für die 18-Jährige die berufliche Entwicklung fernab der Heimat Vorrang hat.Foto: P. Wilhelm
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