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03/01/2019
"Der nächste Schritt wäre eine tolle Sache."
Mario Ahnert, Sportmanager bei Koweg Görlitz, über mögliche Aufstiege seiner Handball-Teams – und große Herausforderungen.
Von Frank Thümmler Sächsische Zeitung, Ausgabe vom 31.12.2018 War das ein Jahr für die Handballer und Handballerinnen des SV Koweg Görlitz! Nach dem starken zweiten Sachsenligaplatz für die Männer und dem sechsten Platz in der Mitteldeutschen Oberliga bei den Frauen im Frühjahr gehen jetzt beide Mannschaften mit Aufstiegschancen ins neue Jahr. Die Frauen haben als Tabellenführer mit blütenreiner Weste die dritte Bundesliga vor Augen. Die Männer mit zwei Punkten Rückstand auf den Tabellenführer, der aber noch nach Görlitz muss, die Oberliga im Visier. Die Görlitzer sind damit absoluter Handball-Leuchtturm im Landkreis. Zur Einordnung: Bei den Männern sind die nächstbesten Mannschaften Stahl Rietschen als derzeit Drittplatzierter eine Klasse tiefer und die Neugersdorfer, die dort um den Klassenerhalt kämpfen. Bei den Frauen ist es die eigene Reserve gleich zwei Klassen tiefer auf Platz drei, ebenfalls vor den um den Klassenerhalt kämpfenden Neugersdorferinnen. Koweg-Sportmanager Mario Ahnert erklärt die Ursachen für den Erfolg und was im Falle eines Aufstieges auf den Verein zukäme. Herr Ahnert, wenn Ihnen jemand vor dieser Saison diese Platzierungen und Punktestände der Koweg-Mannschaften vorausgesagt hätte, dann? Bei den Frauen hätten die größten Optimisten nicht mit 18:0 Punkten gerechnet. Das war absolut nicht zu erwarten. Bei den Männern hatten wir uns erhofft, dass sie wieder um die Podestplätze mitspielen. Das war unser Wunsch, auch wenn allen klar war, dass es nach einem Trainerwechsel nicht unbedingt sofort gut laufen muss, weil sich alle erst aufeinander einstellen müssen. Aber dann ist das glatter vonstatten gegangen, als wir gedacht haben. Unser neuer, junger Trainer hat mich persönlich positiv überrascht und überzeugt. Inwiefern? Die Souveränität, mit der er als gerade einmal 30-Jähriger auch vor unseren gestandenen Spielern auftritt, welch klare Ansagen er macht, ist beeindruckend. Es ist bei allen Absprachen im Team immer klar, dass am Ende er der Entscheider ist. Wie er modernen, dynamischen Handball spielen lässt, wie er auf jede Trainingseinheit top vorbereitet ist, beeindruckt uns schon. Was sind darüber hinaus die Gründe für die derzeitige Erfolgswelle? Die Männermannschaft ist ein in sich gewachsenes, homogenes Team, nach der Rückkehr einiger Spieler mit vielen Görlitzern in ihren Reihen. Mit dem Rückraumspieler Aureljius Stankevicius konnten wir uns noch einmal punktuell verstärken. Dazu kam ja noch Patrick Michel, dem wir alle wünschen, dass er den Weg zum Team nach seiner Auszeit wieder zurückfindet. Den Zeitpunkt bestimmt er. Da war schon vor der Saison relativ klar, dass Potenzial für die Sachsenliga-Spitze vorhanden ist. Dazu kam dann noch der Kick des neuen Trainers, der klar, fordernd und strukturiert modernen Handball spielen lässt und damit einen extra Motivationsschub bringt. Bei den Frauen war die Ausgangslage anders. Es gab drei Abgänge, nur einen Zugang. Für den aktuellen Erfolg der Frauen maßgeblich mit verantwortlich ist die Jugend. Und das ist zuallererst dem Trainer Jörg Adam zu verdanken, der die jungen Mädchen sehr frühzeitig bei seinem Team mittrainieren lässt und sie dann mit langsam steigenden Einsatzzeiten behutsam vorbereitet, bis sie Leistungsträgerinnen auch bei den Frauen sein können. Sie haben bereits jetzt eine sehr hohe Reife. Und wir können sagen, dass sich unsere Nachwuchsarbeit im Verein von kleinauf ausgezahlt hat. Wir sind auch stolz darauf, dass mit Victoria Grätz und Leonie Rösel zwei von ihnen mit dem HC Rödertal in der Jugend-Bundesliga spielen. Natürlich muss man auch sagen, dass unser Neuzugang Kinga Lalewicz eine tolle Spielerin ist, die genau zur Mannschaft passt. Nun könnte man auf die Idee kommen, dass man die Chancen, bei den Frauen den Spitzenplatz zu verteidigen und bei den Männern ihn zu erobern, mit Neuzugängen in der Winterpause erhöhen könnte. Wird das im Verein diskutiert? Natürlich haben wir darüber nachgedacht. Eine Neuverpflichtung birgt aber immer auch das Risiko, dass die erfolgreichen Strukturen in einem Team durcheinandergebracht werden. Bei den Frauen ist es so, dass in dem relativ kleinen Kader alles passt. Und wenn es personell eng werden sollte, würde wahrscheinlich Anna Fursewicz, die wir im Frühjahr verabschiedet hatten aber immer noch fit ist, aushelfen, wie sie es schon einmal in dieser Saison getan hat. Bei den Männern ist es so, dass es momentan allen Spaß macht, zu spielen und zu trainieren. Den Aufstieg streben wir nicht mit aller Macht an. Wenn es in dieser Saison nicht klappt, könnte es sein, dass wir uns das in einem der kommenden Jahre als Zielstellung vornehmen. Beide Mannschaften haben eine realistische Aufstiegschance. Dürfen und wollen die Teams auch aufsteigen, und wie bereiten Sie das vor? Aus emotionaler Sicht wollen natürlich alle hoch. Aber man muss – egal ob Frauen, Männer oder beide – neben der sportlichen Ehre und Herausforderung Einiges bedenken. Eine Voraussetzung ist die Bereitschaft der Mannschaft, noch höhere Belastungen auf sich zu nehmen. Reisezeiten werden sich teils deutlich erhöhen, die Quantität des Trainings müsste erhöht werden. Es fallen nach möglichen Aufstiegen Derbys weg. Mannschaft und auch die Fans müssten wieder lernen, Niederlagen, womöglich auch in Serie, zu akzeptieren. Die Jahnsporthalle müsste definitiv drittligatauglich gemacht werden. Und wir als Verein müssten in der Lage sein, das alles finanziell zu stemmen. Nicht zuletzt sind auch viele Ehrenamtliche mit zu involvieren. Was käme denn an Mehrkosten auf den Verein zu? Neben erhöhten Verbandsabgaben, Personal-, Schiedsrichter- und Reisekosten müsste ein Aufsteiger auch personell verstärkt werden, damit man eine Liga höher auch eine Chance hat. Wir rechnen bei den Frauen, deren Aufstieg momentan ja wahrscheinlicher wäre, mit Mehrkosten von einem großen fünfstelligen Betrag pro Jahr, bei den Männern etwas weniger. Zusammen sind es dann schon rund 100000 Euro. Wie wollen Sie das Geld auftreiben? Unter anderem würden wir wohl den Eintrittspreis zu den Heimspielen leicht erhöhen müssen. Das allein würde die Lücke aber niemals schließen. Letztlich sind wir auf die Unterstützung der Wirtschaft angewiesen. Wir haben bei unseren Sponsoren schon einmal vorgefühlt. Die Resonanz bisher war aber eher verhalten. Die Zeit rennt. Bis wann müssen Sie eigentlich eine Aufstiegsbereitschaft melden, und wie realistisch ist es, bis dahin eine Situation zu schaffen, die Sie ruhig schlafen lässt? Wir haben tatsächlich nur bis zum 31. März Zeit. Wir sind mit der Stadt und dem Landkreis im Gespräch, mit der Stadt nicht nur wegen den dann notwendigen Umbaumaßnahmen in der Jahnsporthalle, wir wollen sie auch beim Werben um Sponsoren mit ins Boot holen. Es gibt diesbezüglich gemeinsame Überlegungen von Stadt und Verein. Und wir haben eine Idee, über die wir aber noch nicht öffentlich reden wollen. Fakt ist jedenfalls, dass hochklassiger Handball – 3. Liga, also Handballbundesliga, bei den Frauen und Oberliga Mitteldeutschland bei den Männern – auch ein immenser Imagegewinn für die Stadt und den Landkreis sind. Es wäre bei allem Für und Wider für uns alle eine tolle Sache, wenn uns dieser nächste Schritt gelingen würde. Emotional sowieso, rational aber auch, da das ein extrem weitreichendes Signal aus der Görlitzer Gesellschaft wäre. ---- Wirtschaft in der moralischen Pflicht Frank Thümmler über Finanzsorgen bei Handball-Aufsteigern Einwurf Frank Thümmler Sächsische Zeitung, Ausgabe vom 31.12.2018 Eine Begegnung vor einigen Jahren im neuseeländischen Auckland ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Mit unserer kleinen Familie dort in Elternzeit, haben wir Ekkehard Stier zum Kaffee getroffen, der nach zehn Jahren als Generalmusikdirektor am Görlitzer Theater jetzt Music Direktor des Auckland Philharmonia Orchestra war und mit uns Neuigkeiten aus Görlitz gegen Insiderwissen aus Auckland tauschen wollte. Viel Zeit hatte er nicht. Er hatte einen Termin mit einem Teil seines Orchesters bei einem Sponsor vor sich und erzählte, dass es in Neuseeland ganz anders als in Deutschland für jedes Unternehmen zum guten Ton gehöre, sich in der Gesellschaft zu engagieren, auch und vor allem mit nicht zu wenig Geld – egal ob im Sozialen, Kulturellen oder im Sport. Und das ohne große Gegenleistung, im konkreten Fall mal einem kleinen Konzert mit Dirigent Ekkehart Stier. Bei uns – so der Eindruck – läuft das gerade andersherum: Geht es um Wirtschaftsansiedlungen, wird der Ruf nach den „weichen“ Standortfaktoren (von Kindergarten bis Kultur und Sport) laut. Schließlich sollen sich Mitarbeiter vor Ort auch wohlfühlen. Sind die Unternehmen da, ist eine wirklich substanzielle Unterstützung die Ausnahme. Oft sind Unternehmen in kommunalem Eigentum (Stadtwerke, Wohnungsbaugesellschaften, Sparkassen) die wichtigsten Sponsoren. Vielleicht ein Argument der Wirtschaft: Man zahle ja genug Steuern. Aber erstens stimmt das nicht immer (Gewerbesteuern werden oft genug auch zurückgefordert), und zweitens machen das die Unternehmen in Neuseeland schließlich auch. Was heißt das alles nun für Koweg Görlitz? Der Verein hat viele gute Argumente, um eine größere finanzielle Unterstützung der Sponsoren nach Aufstiegen zu werben: So hochklassig haben Handballer aus Görlitz noch nie gespielt. An die 500 Zuschauer fiebern in der Jahnsporthalle jetzt schon mit. Männer- und Frauenmannschaft haben ein „Görlitzer Gesicht“, sind bestückt mit vielen Spielern und Spielerinnen aus Görlitz und Umgebung. Die Qualität der Nachwuchsarbeit ist im Landkreis einzigartig. Dass der Finanzbedarf unermesslich ist, stimmt auch nicht. Die Fußballer in Neugersdorf, Bautzen oder Bischofswerda, erst recht die Eishockeyspieler in Weißwasser, haben einen deutlich höheren Etat und schaffen das auch. Schaut man in die 3. Handball-Bundesliga der Frauen, finden sich auch viel kleinere Orte als Görlitz, genauso in der Mitteldeutschen Oberliga der Männer. Und – die Frage sei erlaubt – sind zum Beispiel 50000 Euro für ein Weltunternehmen wie Bombardier oder Siemens eigentlich viel Geld? Natürlich muss Sportmanager Mario Ahnert offensiv auf die Sponsoren zugehen. Denkverbote darf es dabei allerdings nicht geben. Zum Beispiel: Muss das längst nicht mehr existierende Kondensatorenwerk immer noch Namensgeber des Vereins sein? Und dass die Stadt den Verein bei der Sponsorensuche unterstützen will, ist nett. Man muss aber größer denken: Wie wäre es mit dem Bau einer Gegentribüne an der Jahnsporthalle – für mehr Zuschauer und noch bessere Stimmung? Vielleicht auch mit einem Vip-Raum, in dem Sponsoren ein besonderes Handballerlebnis geboten werden kann? | Kalender
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