‚Komm doch mal mit zum Handball’ hat ihr Bruder Alexander immer gesagt. Da war sie gerade einmal sechs Jahre alt. Und er muss wirklich überzeugend gewesen sein. Inzwischen ist Victoria Grätz elf und treibt schon (fast) ihr halbes Leben das runde Sportgerät beim SV Koweg Görlitz vor sich her – und das sogar so gut, dass sie schon für die Landesauswahl Sachsens gesichtet wurde. Doch der Erfolg kommt nicht von ohne. Zusammen mit ihren Mannschaftskolleginnen quälte sich Victoria in der Ferienzeit durch ein vereinsinternes Trainingslager, fast vier Stunden täglich. „Das ist schon etwas anstrengend, aber es macht auch viel Spaß“, sagt die 6-Klässlerin.
Mit ihren 1,71 Meter Körpergröße schaut Victoria Grätz locker über die Köpfe ihrer Mannschaftskolleginnen – und das, obwohl sie die jüngste im Team ist. Geht ihr Wachstum so weiter ist sie förmlich prädestiniert dafür, irgendwann einmal in die Fußstapfen eine Marzena Kot oder Yvonne Kurtycz zu treten. Beide spielen im Rückraum der 1.Frauenmannschaft und wirbeln mit ihren Toren gerade die Mitteldeutsche Oberliga durcheinander. Doch bis es einmal soweit ist, bis Victoria dort mit auflaufen kann, werden noch einige Jahre vergehen. Denn Victoria ist gerade einmal 11 Jahre. Kot, Kurtycz und Co, so gibt sie zu, hat sie auch noch nie live spielen gesehen. „Am Wochenende habe ich ja selbst Spiele, außerdem sind auch Hausaufgaben zu erledigen“, sagt die Rechtshänderin. Nur ab und zu bleibt ihr die Zeit, sich mal ein Handballspiel der Nationalmannschaft im Fernsehen anzuschauen. Denn Victoria geht inzwischen mindestens dreimal wöchentlich zum Training, spielt sowohl in ihrer Alterklasse als auch in der höheren C-Jugend – beide Teams sind in der Sachsenliga vertreten. Und als eine der jüngsten belegt Victoria den 5.Platz der Ligatorschützenliste in der D-Jugend. „Sie ist in ihrem Jahrgang wohl eines der größten Talente hier in Sachsen“, ist ihre Trainerin Kathrin Täschner überzeugt. Das scheint auch Landesauswahltrainer Christian Witusch so zu sehen, der Victoria bereits zu einem 3-tägigen Trainingslager eingeladen und sich von ihren spielerischen Qualitäten überzeugt hat. Victoria selbst sieht dies als große Auszeichnung und Ansporn für die nächsten Jahre an. „Abwehrtechnisch gibt es vielleicht bessere, da agiert sie noch ein wenig zu zaghaft. Aber sie kann schon vieles von dem leisten, was ihr älteren Mitspielerinnen können“, ergänzt Täschner. Sechs von ihnen – und damit mehr als die Hälfte der Mannschaft – stehen ebenfalls auf der Liste des Auswahltrainers. Drei Spielerinnen aus der C-Jugend waren am letzten Wochenende beim Lehrgang. Dies zeigt einmal mehr, wie stark der SV Koweg Görlitz – nicht nur im weiblichen Bereich – auf den eigenen Nachwuchs setzt. Mit sechs Kinder- und Jugendteams ist Koweg in der Sachsenliga vertreten, soviel wie kein anderer Verein im Freistaat. Doch der Verein verlässt sich dabei nicht nur auf das Glück beim Zugewinn talentierter Spielerinnen, sondern tut auch selbst einiges dafür. So fand in den jüngst abgelaufenen Winterferien ein Trainingslager in der Sporthalle Rauschwalde statt – drei bis vier Stunden täglich inklusive Mittagspause. Gestaffelt nach Altersklassen wurden die jungen Handballerinnen und Handballer von zahlreichen Trainern zu Übungen angeleitet. Neben dem Spaß steht auch die leistungsorientierte Ausrichtung im Mittelpunkt. Täschner: „Wir haben diesmal unter anderem viel im taktischen Bereich trainiert, weil dort aktuell auch das Augenmerk bei den Sichtungen liegt.“ Täschner kann sich dabei nur lobend zur Einsatzbereitschaft ihrer Spielerinnen äußern. Talente wie Anne Neumann oder Josephine Tschuck, die mit ihren 16 Jahren schon jetzt feste Bestandteile der 1.Frauenmannschaft, zeigen den jungen Talenten den Weg auf. Sollte es gelingen, die jetzigen Nachwuchsspielerinnen langfristig binden zu können, dann sollte der Erwachsenenbereich zukünftig kaum Zulaufsorgen aus den eigenen Reihen haben. Für Victoria selbst ist das noch zu weit weg. „Ich will immer besser werden und hoffe, dass ich lange Handballspielen kann“, sagt die Gymnasiastin, deren Lieblingsfach natürlich Sport ist.

Robert Eifler





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